Fluchtpunkt Rio (1998)

Deutschland 1998, 30 min.

Seinen 34. Geburtstag, den 8. August 1963, wird Ronald Biggs nie vergessen. Da überfiel er mit seinen Kumpanen den Postzug von Glasgow nach London und erbeutete 2,6 Millionen britische Pfund - zur damaligen Zeit etwa 30 Millionen Mark. Die minutiös geplante Tat erregte weltweit Aufsehen und war der Auftakt für eine Lebensgeschichte, die ein Krimiautor nicht besser hätte erfinden können. Die Flucht aus dem Gefängnis nach Australien und Brasilien, die Verhaftung durch Scotland Yard 1974 in Rio, der Versuch einer Entführung nach Großbritannien - ein Abenteuer jagte das nächste. Biggs wurde zur Kultfigur, gejagt von der Polizei und von vielen bewundert als moderner Robin Hood.

In “FLUCHTPUNKT RIO” zeigt Matti Bauer den größten Räuber des Jahrhunderts als als einen alternden Dandy, der tat- und ideenkräftig seinen Mythos pflegt: “Der Postraub hat mir endlich die Abenteuer gebracht, nach denen ich mich immer gesehnt habe”, sagt er, der wie kein anderer Gauner seine Tat vermarktet hat. Dabei hatte er immer wieder Glück. Der Auslieferung nach England entging er, weil seine brasilianische Freundin schwanger war. Die Geburt seines Sohnes garantiert ihm bis heute ein unbefristetes Bleiberecht in Brasilien. Und als Biggs 1981 von Engländern nach Barbados entführt wurde, appellierte der kleine Mike an die Queen: “ Wer braucht meinen Vater mehr: Sie oder ich?” Biggs kam frei. Heute leben Vater und Sohn in einer Villa in Santa Teresa, einem Stadtviertel von Rio de Janeiro. Brasilien ist zur neuen Heimat des Posträubers geworden. Im März dieses Jahres erlitt der 69jährige Biggs einen Schlaganfall. Touristen, die die Posträuberlegende kennenlernen wollen, den cleveren Gangster und Frauenhelden, erleben einen veränderten Biggs. Zwar ist “Ronnie” immer noch der beste Darsteller seiner selbst, doch fällt ihm seine Rolle zunehmend schwer.

FLUCHTPUNKT RIO zeigt, wie der Mythos zur Last wird. “Ronnie” Biggs als einen Mann, der an seinem Nachruhm arbeitet und sich dabei Sorgen um die Zukunft macht. Wir erleben seine schillernde Persönlichkeit durch die Augen seines Sohnes, der zum Posträuber Biggs seine ganz besondere Beziehung hat. Man mag Biggs mögen oder nicht - seine Geschichte ist aus dem Stoff, aus dem der Mythos und die Träume sind. FLUCHTPUNKT RIO zerstört sie nicht, nennt aber auch den Preis, den Biggs dafür entrichtet hat.

Buch und Regie: Matti Bauer
Kamera: Eduardo Lerina
Ton: Bob Nadkarni
Schnitt: Matti Bauer
Redaktion: Günter Myrell
Produktion: Tangram Christian Bauer Filmproduktion München